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Buchkritik -- Ray Nayler -- Die Stimme der Kraken

Umschlagfoto, Buchkritik, Ray Nayler, Die Stimme der Kraken, InKulturA In der nicht allzu fernen Zukunft sind die Ozeane von den Auswirkungen des Klimawandels, der Umweltverschmutzung und der Überfischung geschädigt. Regierungen und Nationalstaaten haben sich verändert und ein Großteil der Welt ist dem UN-Direktorat unterworfen.

Der Einsatz von KI ist nichts Ungewöhnliches mehr und viele Menschen, jedenfalls die, die es sich leisten können, haben virtuelle Freunde anstelle von echten Menschen. Kurioserweise befinden sich auf den großen Fischfangschiffen jedoch menschliche Sklaven, denn das salzig-feuchte Klima auf hoher See macht der Elektronik der Roboter zu schaffen und so ist es billiger Menschen zu entführen, um sie dort einzusetzen.

In einem der wenigen verbliebenen Schutzgebiete machen Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung: Eine Art von Oktopus, die empfindungsfähig ist, eine Kultur hat und kommunizieren kann. Aber können die Wissenschaftler herausfinden, was sie sagen? Können zwei Arten, die in Bezug auf Biologie, Gehirnphysiologie und Umwelt nicht unterschiedlich sein könnten, eine kommunikative Brücke etablieren?

Um das herauszufinden, machen sich die drei Hauptfiguren des Romans daran, mit dieser Spezies irgendwie in Kontakt zu treten. Die Biologin Dr. Ha Nguyen, aus deren – fiktiven – Buch „Wie Meere denken“ zahlreiche Kapitel eingeleitet werden, – ebenso wie ein weiteres – fiktives – Buch im Buch „Die Mauern des Geistes“ von Dr. Arnkatla Mínervudóttir-Chan, das ebenfalls einigen Kapiteln voransteht – die Sicherheitsbeauftragte Altantsetseg. Veteranin aus einem der zahlreichen Kriege auf der Erde und Evrim, eine geschlechtslose, jedoch einen menschlichen Körper besitzende Künstliche Intelligenz, die eine Schöpfung des Konzerns DIANIMA darstellt, deren weitere Entwicklung jedoch global-politisch verboten wurde.

„Die Stimme der Kraken“ von Ray Nayler ist weniger ein Thriller, sondern vielmehr eine philosophische Abhandlung über die Bedingungen und/oder die Möglichkeit des Scheiterns einer Kommunikation mit einer sich in jeder Beziehung vom Menschen unterscheidenden Spezies. Dafür benutzt der Autor auch sekundäre Handlungsstränge, die die Lebensfähigkeit einer künstlichen Intelligenz in Bezug darauf untersuchen, was es bedeutet, empfindungsfähig zu sein und insbesondere, was es bedeutet, menschlich zu sein – vor allem angesichts der schlimmsten Eigenschaften der Menschen.

Ein hervorragend recherchiertes Buch, das die philosophischen und linguistischen Implikationen bei der Bildung eines gemeinsamen Referenzrahmens für zwei völlig fremde Arten fiktional beschreibt, damit so etwas wie Kommunikation und, im Idealfall, eine gemeinsame Existenz auf dem Planeten Erde stattfinden kann.

Mit 464 Seiten ist der Roman jedoch etwas langatmig und an vielen Stellen redundant, was leider den Lesefluss schmälert. Das Erzähltempo ist langsam und methodisch, was zweifelsohne für harte wissenschaftliche Fakten angemessen ist, in diesem Rahmen jedoch unangebracht erscheint. Sogar Szenen mit viel Aktion fühlen sich schwerfällig an. Auch die drei verschiedenen Handlungsstränge werden nur ungenügend miteinander verbunden.

Mein Fazit: Auf gut 100 Seiten hätte der Autor verzichten können und damit die Handlung optimiert, ohne die philosophische Tiefe des Buches zu schmälern.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 3. Mai 2024