Buchkritik -- Philipp Hacker-Walton -- Georg Grund-Groiss -- Wenn New Work auf No Work trifft

Umschlagfoto, Buchkritik, Philipp Hacker-Walton, Georg Grund-Groiss, Wenn New Work auf No Work trifft, InKulturA Am Arbeitsmarkt ziehen dunkle Wolken auf. Die Zahl der offenen Stellen steigt, die Generation der Babyboomer steigt ebenfalls, allerdings aus, und der Arbeits- und Fachkräftemangel ist nicht nur ein Problem für die Wirtschaft, sondern hat auch gravierende Folgen für die Gesellschaft. Zusätzlich verschärft wird dieses Problem durch die demographische Entwicklung, die dafür verantwortlich ist, dass immer weniger junge arbeitsfähige Menschen für immer mehr Rentner und Pensionäre Leistungen erbringen müssen.

Diese dramatische Situation wurde zusätzlich durch die Corona-Maßnahmen angeheizt, die mit Kontaktverboten, Schließungen von Hotel- und Gaststättenbetrieben und anderen, die ökonomischen und sozialen Abläufe stoppenden Regeln und Verordnungen die Gesellschaft und damit einhergehend den Dienstleistungssektor fast vollständig lahmlegten.

Die „Pandemiezeit“ war ohne Frage eine Zäsur, die jedoch den bereits vorhandenen Trend zur Work-Life-Balance verstärkte und sich viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen äußerst kritisch mit ihren Beschäftigungsverhältnissen und -bedingungen auseinandersetzen – mit den bekannten Folgen.

Doch, und das dürfte ein, wenn nicht der ausschlaggebende Faktor des aktuellen Dilemmas sein, das Verhältnis zur Arbeit, das die inzwischen viel gescholtene Generation der Boomer an den Tag legte, ist Geschichte. Viel Arbeit, Überstunden, das Wohl der Firma im Fokus, Freizeit nur am Wochenende, kurz, das Arbeitsethos, das noch das Leben der Elterngeneration geprägt hat, hat sich stillschweigend verabschiedet und an dessen Stelle sind Freizeit, Lebensqualität und, ein in der Arbeitswelt neuer, aber fordernder Begriff, „Wertschätzung“ der Tätigkeiten des Personals seitens der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen getreten.

Auch die staatlichen Leistungen, die finanziellen Transfers, für die Ausnahmen gedacht, sind für viele, nennen wir sie „Sinn in ihrem Leben“ Suchende, zur Regel geworden und so manche Hilfe seitens des Sozialstaates wird gern zur „Selbstverwirklichung“ anstelle der, wie die Politik sie gern bezeichnet, temporären sozialen Absicherung benutzt.

So weit, so schlecht. Wie nun aber herausfinden aus der Krise?

Es muss, so die beiden Autoren, auf breiter Front ein Umdenken stattfinden. Der seit vielen Jahren anhaltende Trend, handwerkliche Ausbildungsberufe gegenüber einem Studium abzuwerten und die politische Vorgabe, so vielen jungen Menschen wie möglich, den Besuch einer Universität zu ermöglichen, sorgte für ein akademisches Proletariat, das, sich überwiegend aus weichen, geisteswissenschaftlichen rekrutierend, am tatsächlichen Bedarf an Arbeitskräften vorbei ausgebildet wurde.

Ein weiterer Fakt liegt in den sog. sozialen Medien, in denen wenige und oft nur ephemer erfolgreiche „Influencer“ die Hoffnung der vielen Nachahmer befeuern, mit dieser Pseudoarbeit ein hohes Einkommen zu erzielen.

Auf der anderen Seite der Alterspyramide sollte, so Grund-Groiss und Hacker-Walton, eine Kritik der „und tschüss“ Mentalität stattfinden und die sich jetzt in den Ruhestand verabschiedende Generation „Boomer“ die Frage stellen, ob der rigide Abschied vom Erwerbsleben in Anbetracht der sozial-ökonomischen Schieflage opportun ist.

Seitens der Politik wird an dieser Stellschraube bereits gedreht und das Renteneintrittsalter sukzessive erhöht, was aufseiten der Arbeitnehmer verständlicherweise für Empörung sorgt.

Doch alles Lamentieren dürfte wenig hilfreich sein, wenn wir unseren Wohlstand, den die jüngere Generation zurecht ebenfalls für sich in Anspruch nimmt, halten wollen. Dazu ist es notwendig, den Berufen, die im wahrsten Sinn den Laden am Laufen halten – die Coronamonate haben gezeigt, welche das sind – wieder die Achtung, die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen. Eng damit zusammenhängend sollte die elitär-akademische Attitüde „Kopf vor Hand“ wieder auf ein normales, die Gesellschaft voranbringendes Maß gestutzt werden. Die beiden Autoren sprechen diesbezüglich vollkommen richtig vom „Upper-Class-Problem“, das dringend einer Lösung bedarf.

Ob allerdings die Einführung eines – vorerst – nach Lebensalter gestaffelten Grundeinkommens zielführend ist fraglich. Finnland, das als erstes europäisches Land von 2017 bis 2018 mit einem bedingungslosen Grundeinkommen experimentierte, zog nach dessen Ende ein ernüchterndes Fazit.

Georg Grund-Groiss und Philipp Hacker-Walton lassen beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Wort kommen und deren Aussagen und Erfahrungen sind dazu angetan, den Leserinnen und Lesern die aktuelle Problematik vor Augen zu führen und, werden keine befriedigenden Lösungen gefunden, die drohenden gesellschaftlich-ökonomischen Verwerfungen skizziert.




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Veröffentlicht am 8. Mai 2023