Buchkritik -- Hans-Jürgen Papier -- Die Warnung

Umschlagfoto, Buchkritik, Hans-Jürgen Papier, Die Warnung, InKulturA Gleich vorweg, es scheint lukrativ zu sein, hat man denn das Pensionsalter erreicht und berufliche Nachteile also nicht mehr zu befürchten, Bücher zu veröffentlichen, die, hätte man sie vor dem Erreichen des Ruhestands auf den Markt gebracht, dazu geführt hätten, eben diesen Ruhestand ein paar Jährchen vorzuverlegen, weil die darin geschilderten Tatsachen zwar korrekt sind und der gesellschaftlichen und politischen Realität entsprechen, sich jedoch nicht im Rahmen des politisch erlaubten Mainstreams befinden und aus diesem Grund schnell eine berufliche Karriere vor ihrem eigentlichen Ende beenden können.

Hans-Jürgen Papier, von April 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat sich in einem Buch zu Wort gemeldet und konstatiert, wie es der Untertitel erklärt, eine Aushöhlung des Rechtsstaates. Nun ist Papier nicht irgendein Blogger, der auf seinen Internetseiten die aktuelle Schieflage Deutschlands beklagt, sondern ein hochrangiger Jurist, dessen Anliegen die Wahrung des Rechts und dessen konsequente Anwendung und Durchsetzung ist.

Die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat in der Krise, nicht zuletzt, so Papier, weil die Politiker seit Jahren an der Verfassung vorbei regieren. So weit, so schlecht. Mit eher leisen Tönen stellt Deutschlands ehemaliger höchster Richter eine Erosion eben dieses Rechtsstaates fest, denn die Bürger haben nicht zu Unrecht das Gefühl, dass der Ehrliche am Schluss immer der Dumme ist.

Der Autor schlägt einen weiten Bogen, von Asyl bis Zuwanderung, von Digitalem über Maastricht und Lissabon bis hin zu Selbstjustiz und Parallelwelten, aber, und das ist die große Schwäche seines Buches, auch aus der Feder eines Richters, dessen Augenmerk hauptsächlich auf Paragraphen und Rechtsprechung gerichtet ist, sollte der Zusammenhang zwischen politischem Fehlverhalten und dessen zahlreichen Gründen nicht verschwiegen werden.

Es ist kein Wunder, dass die Bürger das Vertrauen in den Staat verlieren, denn eben dieser Staat hat durch das Handeln seiner politischen Führer bewiesen, welche Stellung Recht und Gesetz haben, wenn es um die Durchsetzung politischer, besser gesagt ideologischer Ziele geht. Nicht zuletzt aus diesem Grund bemängelt Hans-Jürgen Papier die aktuelle Klimapolitik, deren moralischer Impetus und der stets erhobene Zeigefinger sich nur all zu gerne über bestehendes Recht hinweg setzt.

Eine juristische Herausforderung stellen, so der Autor, die digitale Welt und ihre Versprechungen dar. Soziale Netzwerke sind Segen und Fluch zugleich, lassen sie doch die individuelle Privatsphäre als ein sich auf dem Rückzug befindendes Recht des Einzelnen hinter sich. Sieht man einmal davon ab, dass Papier Sascha Lobo als einen Internetspezialisten vorstellt – du meine Güte, dann könnte ja Bauers Kuh auch als Fremdsprachenkorrespondentin durchgehen – so muss doch die Frage erlaubt sein, ob das Gesetz auch die schützen muss, die sich im Netz freiwillig jeglicher Privatheit entblößen. Wer sich nachts nackt am Hauptbahnhof herumtreibt und nur seinen Ausweis und reichlich Geld um die Hüfte gebunden hat, der darf sich auch nicht wundern, wenn ihm Böses widerfährt...

Trotz aller berechtigter Kritik seitens des Autors ist „Die Warnung“ eine handzahme Dokumentation angewandter Rechtsbrüche und die Beispiele, die Papier anführt, sind leider nur die Spitze des von Deutschlands Eliten vorgelebten Rechtsverständnisses. Nur einmal wird Hans-Jürgen Papier deutlich: „Die Flüchtlingskrise war aus rechtlicher Sicht eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats.“ Das ist angesichts der ohne weiteres als kriminell zu bezeichnenden fortlaufenden Handlungen der Regierung etwas zu wenig.




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Veröffentlicht am 2. Januar 2020