Buchkritik -- Janice Pariat -- Ein Herz mit neun Kammern

Umschlagfoto, Buchkritik, Janice Pariat, Ein Herz mit neun Kammern, InKulturA „Die Forderung geliebt zu werden, ist die größte aller Anmaßungen“. Diese Sentenz Friedrich Nietzsches hat nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil, in Zeiten, wir nennen sie gerne die modernen, in denen exzessive Selbstbespiegelung den Normalfall im Scheitern zwischenmenschlicher Beziehungen darstellt, kontrastiert eben dieses Abringen intensiv-emotionaler Zuwendung an die Adresse eines Gegenübers stets mit der individuellen Selbstwahrnehmung, die in der Regel ersteres, wenn nicht verhindert, so doch zumindest stark einschränkt.

Der oder die Andere taucht in diesem Kontext, wie es Janice Pariat in ihrem Roman pointiert erzählt, immer nur als Reflektionsfläche des je eigenen auf und lässt Beziehungen zu Nutzgemeinschaften verkümmern. Um eine junge Frau arrangiert die Autorin neun Personen, die über ihre Beziehung zu ihr sprechen. Beginnend mit dem Lehrer, erfahren wir von einem Mädchen, das sowohl spröde und eigenwillig, als auch verletzlich ist, Katzen mag und sich nach elterlicher Liebe sehnt. Im Lauf der Jahre kommen, fast obligatorisch, richtige Liebesbeziehungen dazu. Die erste echte Beziehung im College, ein älterer Mann, ein verheirateter Mann, ein junger Mann mit, wie es scheint, tiefen Gefühlen, eine gleichgeschlechtliche Erfahrung, ein intensiver Sommerflirt, die Begegnung mit einem Künstler und die Beziehung zu einem eher unauffälligen Mann.

Jede der neun in der Gegenwartsform erzählten Erinnerungen werden durchzogen von einer stillen Traurigkeit, die auch in den Momenten größter Intimität nicht verschwinden will, durch sie sogar noch gesteigert wird. Immer sind es die jeweiligen Partner, die oberflächlich Liebe mit Lust verwechseln und die ihrer eigenen Einsamkeit und ihrer vagen, niemals konkreten Sehnsucht entfliehen wollen.

Für den älteren Liebhaber ist die Namenlose die personifizierte Jugend und für einen anderen das Versprechen einer besseren Zukunft. Es sind immer die Vorstellungen der jeweiligen Partner, die letztendlich auf sie selber zurückfallen. So ist es kein Wunder, dass sich die Personen, die sich an die Frau erinnern, diese nur als Erweiterungen ihrer selbst sehen. Einer der Männer, der Florist, bringt es auf den Punkt: „Wie soll ich dir sagen, dass dies keine Liebe ist? Es ist keine Liebe, es kann keine sein.“

Es sind, unabhängig von der Dauer, flüchtige Beziehungen in ungenannten Städten in Asien und Europa, die gleichzeitig auch irgendwie vertraut sind. So wie die Orte, anonym und doch auf unspezifische Weise fassbar, sind auch die neun Personen angelegt, die mit ihren jeweils auf einen Teil der namenlosen Zentralfigur reduzierten Blickwinkel sich im Grund immer nur selbst spiegeln.




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Veröffentlicht am 24. Februar 2019