Buchkritik -- Richard Price -- Die Unantastbaren

Umschlagfoto, Richard Price, Die Unantastbaren, InKulturA New York, je nach Standpunkt, Einkommen und Wohnort, ein Schmelztiegel, ein Hexenkessel und eine immer, Tag und Nacht, brodelnde Stadt. In diesem Chaos arbeitet der Polizist Billy Graves unermüdlich daran, das kriminelle Milieu wenigstens ansatzweise unter Kontrolle zu bekommen und Täter dingfest zu machen. Während seiner Nachtschichten lernt er immer wieder die andere, dunkle und gewalttätige Seite New Yorks kennen, die, weitab von den künstlerischen Verheißungen des Broadways und den finanziellen Träumen der Wallstreet, eine Schattenwelt aus Gescheiterten, Hoffnungslosen, Drogenabhängigen und Gewaltverbrechern darstellt.

In der der Glitzerwelt dieser Metropole abgewandten Seite hat jeder langjährige Polizist seine besonderen Fälle, die, weil dem Täter nichts nachzuweisen war oder ein ermittlungstechnischer Formfehler vorlag, sich tief in die Psyche der Ermittler eingebrannt. "Die Unantastbaren", so nennen sie die Kriminalpolizisten, sind dann auch immer der Dorn im Fleisch dieser Beamten, wohl wissend, dass diesen Kriminellen nicht das Handwerk zu legen ist.

"Die Unantastbaren", so auch der Titel des spannenden Romans von Richard Price, nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Nacht und lässt ihn teilhaben am Leben und der Arbeit New Yorker Detectives, die immer wieder vergeblich dafür sorgen, die Straßen ein wenig sicherer zu machen.

Der Roman ist dann auch weniger ein genretypischer Krimi mit den üblichen Zutaten, sondern eher eine Milieustudie über eine Gesellschaft, in der sich die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Recht und Unrecht als fließend erweisen und auch Polizisten manchmal die rote Linie überschreiten und zu unkonventionellen oder illegalen Maßnahmen greifen.

Der Autor verbindet drei Handlungsstränge miteinander und lässt seine Protagonisten immer am Limit erscheinen. Privates und berufliches können nicht immer eindeutig voneinander getrennt werden. Das muss auch Billy erfahren, dessen Familie sich im Visier eines Stalkers befindet, der eine lange zurückliegende Begebenheit rächen will.

Richard Price ist auch Drehbuchschreiber für Film und Fernsehen und so verwundert es nicht, wenn "Die Unantastbaren" ein Krimi ist, der schnelle Schnitte und eine rasante Handlung bietet, die jedoch manchmal arg konstruiert wirkt. So muss Billy Graves ein Pensum an privaten und beruflichen Herausforderungen meistern, dass der Leser sich unwillkürlich die Frage stellt, wann um Himmels Willen dieser Mann eigentlich schläft. Eine Woche Dienst in der Nachtschicht gestaltet Price dermaßen heftig, dass "gewöhnliche" Polizisten damit wohl eher einen ganzen Monat beschäftigt wären.

Trotz mancher Längen ist dieser Kriminalroman eine fast perfekte Beschreibung des normalen Wahnsinns einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft.




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Veröffentlicht am 24. Januar 2016