Buchkritik -- Fritz J. Raddatz -- Heinrich Heine

Umschlagfoto  -- Fritz J. Raddatz  --  Heinrich Heine Es ist schon schwer, die Buchrezension eines ausgesprochenen Feuilletonisten zu lesen. Allzusehr und allzuoft gleitet die Kritik ab in eine nichtfaßbare Dimension, die allein dem Schreiber der Rezension erreichbar ist. Dasselbe kommt dabei heraus, wenn literarische Feuilletonisten eine Biographie schreiben. In diesem Fall geht es um das Buch von Fritz J. Raddatz "Heinrich Heine".

Die Person des Schriftstellers Heinrich Heine ist allein schon durch seine Vieldeutigkeit, seine immer wieder aus verschieden Positionen auftauchende Spottlust, seinem sprichwörtlichen Ekel an diversen Zuständen und vor allem durch seine ausgeprägte Infantilität, die er sein ganzes Leben lang nicht eintauschen konnte gegen eine selbstbestimmte, ureigene Haltung gegenüber der Welt und ihren Mitbürgern, gekennzeichnet. Heine, dem es an nahezu allem mangelte,(außer an einer spitzen Feder), was einen erwachsenen Menschen ausmacht: Ausgeglichenheit, intellektuelle Distanz, Problembewußtsein, die Fähigkeit des Umgangs mit anderen Menschen und Selbstkritik, ist selber ein Problem. Ewig unzufrieden mit der Welt, niemals "in der Mitte", sondern immer in der Schwingung zwischen den Extremen, persönliche Freundschaften immer verratend durch seine oftmals geradezu beleidigenden Formulierungen, ist Heine ein Beispiel für den niemals erwachsen werdenden Schriftsteller.

Raddatz versucht diesem schwierigen Charakter ein seinem Buch über Heine gerecht zu werden. Es gelingt ihm leider nicht. Allzuoft wogt und wabert eine Atmosphäre des Unfaßlichen, des sich dem Leser verweigernden Zugriffs auf die Person Heines durch das Buch. Es gelingt Raddatz nicht, die Person des Dichters zu konkretisieren und dem Leser näher zu bringen. Ich hatte oft den Eindruck, das diese Biographie selber ein Stück Literatur sein will, denn anders kann ich die "Freiheit" bestimmter Satz- und Wortkreationen nicht deuten.

Ein Beispiel von vielen: "Harald Brodkey, der sich nicht sterben ließ, bevor er dem Grausen der AIDS-Agonie sein letztes Buch abgerungen hatte." All dies macht es schwer diese Biographie zu lesen. Eine Biographie, die vor allem anderen eins sein will, selber Literatur, die immer zwischen Roman, Tagebuch und Lebensbeschreibung steht und dadurch eins auf keinen Fall ist, eine Biographie.

Für wen könnte dieses Buch geschrieben worden sein? Die Antwort fällt nicht schwer. Für in sich abgeschlossene Literatenzirkel, die auf dem Elfenbeinturm des deutschen Germanistikstudiums sitzen und für Feuilletonfreunde, die sich wohlfühlend in unbestimmbaren, mehrdeutigen Posen räkeln und deren Aussagen so unfaßlich und ungreifbar wie durch die Hände rinnender Sand ist.

Wer sich wirklich mit Heine beschäftigen will, der sollte dieses Buch nicht lesen.




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