Buchkritik -- Thomas Kaufmann -- Geschichte der Reformation in Deutschland

Umschlagfoto, Buchkritik, Thomas Kaufmann, Geschichte der Reformation in Deutschland , InKulturA Vieles wird in die Gestalt Martin Luthers hineininterpretiert. Kapitalismuskritiker, Befreier von den dunklen Mächten der katholischen Kirche, gar Vorläufer deutschnationalen Heldentums. Eine Nummer kleiner, jedoch fundiert und profund, stellt Thomas Kaufmann in seinem, wohl als neues Standardwerk zu bezeichnendem Buch "Geschichte der Reformation in Deutschland" Martin Luther zwar als Neuerer des Glaubens dar, betrachtet aber hauptsächlich den historischen Kontext, der die Reformation erst möglich machte.

Luther ist bei ihm nicht die zentrale Lichtgestalt, welche die Geschichte aus ihm gemacht hat, sondern der Initiator einer Entwicklung im Deutschen Reich, die erst durch ihre politischen Implikationen und die aus ihnen resultierenden Kämpfe ihre eigentliche Bedeutung erhielt. Mitnichten, so Kaufmann, war die Reformation ein radikaler Bruch mit dem Mittelalter, sondern nur vor dem Hintergrund der Entwicklung im Spätmittelalter deut- und erklärbar. Das 15. Jahrhundert war eine Zeit von Reformversuchen sowohl im kirchlichen als auch im staatlichen Bereich des Heiligen Römischen Reiches. Martin Luther war, das beweist die weitere Entwicklung, jedoch der erfolgreichste Kritiker.

Um 1500 schufen politische, ökonomische und kulturelle Veränderungen die Voraussetzungen für Luthers Reformwerk, das, zumindest in seiner Anfangszeit, nicht den späteren Bruch mit der katholischen Kirche und dem Papst vorsah. Der Wandel des gesellschaftlichen, des bürgerlichen Selbstverständnisses spielte Luther bei seiner Kritik an den Missständen der Kirche viele Sympathisanten zu, versprach doch die Reformation eine „Kirche von unten“, die sich weniger an überliefertem kirchlichen Symbolismus orientierte, sondern die Beziehung zwischen Gott und Gläubigen personalisierte.

Zugleich sieht Kaufmann die Reformation in direktem Zusammenhang zwischen politischen und kirchlichen Machtansprüchen, denen die "Altgläubigen" wenig entgegenzusetzen hatten. So kam es in den ersten Jahren nach Luthers "Kampfansage" zu diversen Formen reformierten Glaubens, die jedoch schnell wieder unter die Kontrolle einer Obrigkeit gebracht wurden, die im weiteren Verlauf dafür sorgte, dass der neue Glaube mit der offiziellen, d. h. der durch Landesfürsten und städtischen Magistraten vorgegebenen Richtung konform war.

Eine große Rolle bei der Verbreitung reformatorischer Ideen kam den neuen Medien der damaligen Zeit zu. Flugschriften, Predigten und Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche sorgten dafür, das ein großer Personenkreis Zugang zu den neuen Ideen erhielt und sich dadurch der Kreis der Multiplikatoren stetig erweiterte.

Das zuerst 2009 im Verlag der Weltreligionen unter dem Titel Geschichte der Reformation erschienene Buch wurde für die Neuausgabe durchgesehen, aktualisiert und um einen Epilog erweitert, der unter anderem auf die Geschichte der Reformationsjubiläen und die Lutherrezeption in Deutschland verweist.




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Veröffentlicht am 12. Februar 2017