Buchkritik -- Rolf Stolz -- Viele Fächer

Umschlagfoto, Buchkritik, Rolf Stolz, Viele Fächer, InKulturA Schnappatmer und Beißreflexler werden enttäuscht sein – vorerst zumindest. Im 16. Band der Werkausgabe von Rolf Stolz finden geneigte Leserinnen und Leser, wie es der Titel treffend ausdrückt, „Viele Fächer“, in denen der Autor Prosastücke, wie gewohnt hinterlistig demaskierend und bissig, Essays, Kommentare zu eigenen und fremden Werken, und, im letzten Teil, Vermischtes, Korrespondenzen aus den Jahren 1996 bis 2021, die, lange bevor der Begriff „Cancel Culture“ zum im wahrsten Sinn Schlagwort der woken Avantgarde geworden ist, in der Regel vergeblichen Versuche des Autors so etwas wie Diskussionsbereitschaft der Gegenseite einzufordern, dokumentieren.

Die Prosa, kurze Stücke über den methodischen Wahnsinn derjenigen, die vor lauter Selbstbezug den Kontakt zur Realität verloren haben, sich aber, wie „Niete“ Walbusch trotzdem als nützliches und großzügiges Mitglied der Gesellschaft inszenieren, oder, wie Harry Halbe, Nichtsnutz, sich nichtsdestoweniger, oder gerade deshalb mit Erfolg durchs Leben wursteln. Menschen, widerliche Figuren, denen man immer wieder im richtigen Leben begegnet.

Die Essays, bis auf die Hommage an den großen Entlarver spießbürgerlicher Borniertheit, Wilhelm Busch, kurze, teils autobiographische, teils den Spannungsraum Herkunft und Verwurzelung reflektierende Betrachtungen, und, die Stimme des einsamen Rufers in der Wüste, eine Verteidigung der Literatur in von interessierten Kreisen destabilisierten Zeiten. Die sog. Zivilgesellschaft als Abbruchunternehmen eines einstmals funktionierenden Staates.

Der letzte Teil, eben die Dokumentation dieses Auflehnens gegen Diskursverweigerung und permanente, politisch motivierte und medial in Szene gesetzte Ausgrenzung missliebiger Meinungen, ist ein trauriges Kapitel über den seit Jahren anhaltenden Trend zur Verengung des Meinungskorridors, der jegliche Kritik an den bestehenden Verhältnissen, seien sie politischer, gesellschaftlicher oder ökonomischer Natur, unter den Generalverdacht des Systemsturzes stellt.

Insofern erhalten also die Schnappatmer und Beißreflexler doch noch genügend Material, um sich in ihren Blasen weiterhin bequem einrichten zu können.




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Veröffentlicht am 23. Oktober 2022