Buchkritik -- Hamed Abel-Samad -- Islam: Eine kritische Geschichte

Umschlagfoto, Buchkritik, Hamed Abel-Samad, Islam: Eine kritische Geschichte, InKulturA „Die Aufklärung ist ein Weltbild, eine Geisteshaltung, eine politische und gesellschaftliche Praxis, die immer Schwierigkeiten hatte, in der islamischen Welt Akzeptanz zu finden. Weil sie den Prinzipien des Islam und seiner Identitätspolitik klar widerspricht.“

„Deshalb stimmt die Behauptung nicht, im Islam gebe es keine Kirche – die Kirche im Islam ist der Staat selbst. Das macht die Idee der Säkularisierung im Islam zu einem Paradox, denn sie würde nicht Kirche und Staat trennen, sondern den Staat von innen aushöhlen.“

Zwei Sätze aus Abel-Samads kritischer Geschichte des Islam verdeutlichen die Problematik, wenn über die Kompatibilität des Islam mit den sog. westlichen Werten und ein konfliktfreies gesellschaftliches Miteinander der Religionen gesprochen wird.

Hamed Abel-Samad ist einer der unermüdlichen, aber einsamen Rufer in der Wüste, der in seinen Publikationen immer wieder versucht, gegen den islamischen Fundamentalismus und für einen sich wandelnden Islam Stellung zu beziehen.

Der Islam war (ist?), wie jede monotheistische Religion gewalttätig. Auch die Geschichte des Christentums ist eine blutige und der missionarische Eifer war dem des Islam zumindest ebenbürtig. Doch das, was den Islam und das Christentum unterscheidet, war das Zeitalter der Aufklärung, das die Trennung von Kirche und Staat bewirkte und den Glauben ins Private verschob.

Eine Konstante, die die Geschichte des Islam aufweist, ist, bis auf eine kurze Periode der Pseudoaufklärung, die Tatsache, dass diese Religion, die wie Abdel-Samad es korrekt formuliert, Kirche und Staat als Einheit versteht, sich als letztendlich allgemeingültig versteht und sich aufgrund ihrer Universalitätsvorstellung für die einzig wahre Religion hält, deren Ziel erst erreicht ist, wenn sich der Islam global durchgesetzt hat. Keine guten Aussichten für das Zusammenleben von Menschen islamischen Glaubens mit denen, die andere religiöse Vorstellungen haben.

Der Autor geht der islamischen Geschichte nach und stellt die Fakten nüchtern und sachlich dar. Kommt an den historischen Tatsachen niemand vorbei, so stellt sich das Problem erst bei der Interpretation heraus. Wie kann der Islam mit den sog. westlichen Werten und den unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen kompatibel werden?

Wenn man sich vor Augen führt, dass alle westlichen Kritiker des Islam unter Polizeischutz stehen, dann gibt es auf diese Frage wohl nur eine Antwort: vielleicht gar nicht.

Hamed Abel-Samad beklagt vollkommen zu Recht, dass es in Zeiten woker Identitätspolitik unmöglich geworden ist, Kritik am Islam zu üben, ohne in eine wie auch immer geartete rassistische Ecke gedrängt zu werden. Dabei, auch das betonen er und andere Kritiker immer wieder, ist falsch verstandene Toleranz gegenüber dem islamischen Fundamentalismus mit Sicherheit nicht der richtige Weg.

Ob sein vorsichtig optimistischer Ansatz bezüglich der Annäherung konträrer Vorstellungen zwischen islamischen und demokratischen Gesellschaftsentwürfen realistisch ist, ist jedoch mehr als zweifelhaft, denn wohl nicht nur der deutsche Staat erweist sich bezüglich Anwendung und Durchsetzung säkularer Rechte und Gesetze als zu schwach.

Ganz im Gegensatz zu islamischen Kräften, die nicht nur die Demographie auf ihrer Seite haben, sondern auch den Willen besitzen, die Gesellschaft in ihrem Sinn umzugestalten.




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Veröffentlicht am 5. Februar 2023