Buchkritik -- Marit Rullmann / Werner Schlegel -- Frauen denken anders

Umschlagfoto  -- Marit Rullmann / Werner Schlegel  --  Frauen denken anders Wer sich für Philosophie interessiert, also eigentlich jeder Mensch, denn philosophische Fragen finden sich nicht nur im Elfenbeinturm der Universitätsphilosophie, sondern mitten im Leben, wer sich also gegen das übliche schwadronieren bewußt für das philosophieren entschieden hat und sich in der Philosophiegeschichte auskennt, der wird erstaunt sein, nur von Männern zu hören und zu lesen. Ein kurzer Gang in die Bibliothek und eine eigene Bestandsaufnahme beweist das. Johannes Hirschberger "Geschichte der Philosophie" - Frauen Fehlanzeige. Bertrand Russell "Philosophie des Abendlandes" - Frauen Fehlanzeige. Franco Volpi (Hg.) "Großes Werklexikon der Philosophie" - Frauen Fehlanzeige. Nun ja, denkt sich der von der vergeblichen Suche schon etwas frustrierte Alltagsphilosoph, gucke ich doch mal in eine thematisch spezialisierte Ausgabe. Also ein Blick in die "Geschichte der Ethik" von Friedrich Jodl. Doch, der Leser kann es sich schon denken, - Frauen Fehlanzeige. Ein letzter Hoffnungsschimmer glimmt auf, denn der Blick fällt auf "Die maßgebenden Menschen" von Karl Jaspers. Das Ergebnis war zu befürchten, auch hier kein Wort über "maßgebende" Frauen.

Zum Glück gibt es das Buch "Frauen denken anders" von Marit Rullmann und Werner Schlegel. Philosophie ist mitnichten eine reine Männerdomäne. Der Autor und die Autorin zeigen Philosophiegeschichte einmal ganz anders. Anhand von philosophischen Begriffen wie Subjekt, Vernunft, Ethik oder Freiheit, legen Rullmann und Schlegel neben einer flott und vergnüglich zu lesenden Einführung in philosophische Grundbegriffe, eine Geschichte des weiblichen philosophischen Denkens vor. Der Unterschied zu ihren männlichen "Kollegen" ist offensichtlich. In der abendländischen (männlichen) Philosophietradition steht der Tod, bzw. die Überwindung des Lebens und der Ekel vor und an ihm im Vordergrund. Abgehoben vom wirklichen Leben, war die Philosophie den "Systembauern" anheimgefallen. Platon, Aristoteles, Augustinus, Kant, Hegel, etc. schufen mächtige Gedankengebäude und verloren darüber die Alltäglichkeit des Lebens und seine konkreten Probleme, die nicht weniger philosophisch waren, aus den Augen und aus dem Kopf.

Weibliche Philosophie dagegen und das zeigen Rullmann und Schlegel nachdrücklich, definiert sich immer an konkreten Problemen und ihren Lösungen. Frauen als gebärende Wesen haben wohl aufgrund dieser biologischen Funktion, (hört sich altmodisch an und ist für viele Leser und Leserinnen bestimmt eine Diskriminierung, doch Männer haben nun einmal nicht die biologische Funktion des Gebärens), eine andere Einstellung zum Leben als Männer. So kann man, bzw. können alle eine Todessehnsucht, nicht nur in der Philosophie, nein auch im realen Leben nachweisen. Die Leinwandhelden Hollywoods machen es vor - die Superhelden spucken dem Tod ins Gesicht und wer schon sterben muß, der hat dabei zu lachen. Frauen als Superheldinnen verkaufen sich offenbar nicht so gut wie ihre männlichen Kollegen, denn wie sollte man sich deren leichte Bekleidung und die bewußt zur Schau getragene Laszivität, die vom Drehbuch verlangt wird, sonst erklären?

Im Kapitel über das Verhältnis zum Leib, über Askese, Genuß und Lust zeigt das Autorenteam die Lust- und Körperfeindlichkeit von (männlicher) Philosophie und Religion. In der abendländischen Philosophie- und Religionstradition war es stets "guter" Ton, den Körper und seine natürlichen Bedürfnisse mit Sünde in Verbindung zu bringen. Fortpflanzung ja, aber doch bitte ohne Lust. Rullmann und Schlegel weisen zu Recht darauf hin, das die Hexenverbrennungen ohne die latente männliche Angst vor der weiblichen Sexualität nicht denkbar gewesen wären. Wir denken uns diese Zeiten als überwunden? In manchen Regionen dieser Welt gibt es bis heute die Klitorisbeschneidung. Ausgelebte männliche Phantasien haben zu allen Zeiten und in allen Teilen der Welt schreckliche Verbrechen verschuldet. Kein philosophischer ...ismus und keine Religion ist davon befreit.

Weibliche Philosophie ist bemüht das (männliche) dualistische Denken, das sich in Begriffen wie Geist und Körper, aktiv und passiv, Mann und Frau manifestiert, zu überwinden. Der Zustand unseres Planeten, Kriege, wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit sind zu großen Teilen der (männlichen) abendländischen Denktradition geschuldet. Die Entwicklung des Ostens lief ähnlich ab und das Frauenbild des Islam hat, bis auf wenige Ausnahmen, noch keine grundlegende Änderung erfahren.

"Frauen denken anders" ist ein Philosophiebuch, das aus dem üblichen Rahmen fällt. Marit Rullmann und Werner Schlegel haben mit Philo-Sophias 1x1 die Philosophie vom (männlichen)Kopf auf die (weiblichen) Füße gestellt. Die Botschaft ist klar: Klammern wir einmal Margaret Thatcher, Angela Merkel und Sabine Christiansen aus, (diese "Rangliste" hat der Verfasser dieser Rezension aufgestellt), dann können wir Männer feststellen, daß Frauen oft anders denken. Sie versöhnen Verstand und Gefühl, sie sind dem Leben verpflichtet und sie denken ganzheitlicher als Männer. Diese gut belegte Aussage, verpackt in eine auch von Alltagsphilosophen verständliche Einführung in die verschiedenen philosophischen Denkrichtungen, sollte den männlichen Lesern zu denken geben. Ich kann dieses Buch nur eindringlich, nicht nur Männer, empfehlen.

Philo-Sophia und Philosoph, zusammen sind sie ein unschlagbares Team.




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