Buchkritik -- Volker Gerhardt -- Humanität

Umschlagfoto, Buchkritik, Volker Gerhardt, Humanität, InKulturA Wer über den Menschen, sein Wesen und seine Stellung in der Welt sprechen will, muss zuallererst sein Objekt, eben den Menschen, definieren. Hat der Mensch eine oder besser ausgedrückt, verdient er eine Sonderstellung über allen anderen Lebewesen, steht also außerhalb der Natur und ist aus diesem Grund berechtigt – dass er dazu in der Lage ist, zeigt der Umgang mit Seinesgleichen und der fortwährende Raubbau an der Umwelt – sich selber und allen anderen Geschöpfen die Lebensgrundlagen zu zerstören?

Volker Gerhardt unternimmt den nicht einfachen Versuch, einen bis zur Unkenntlichkeit übernutzen Begriff neu zu definieren. Humanität, so auch der Titel seines Buches, ist zu einem Schlagwort geworden, das in diversen Kontexten benutzt wird. Sozial- und Gesellschaftstheoretiker, Politiker und Kirchenvertreter sowie Künstler und Journalisten berufen sich darauf, um ihre jeweiligen Aussagen und Meinungen zu begründen.

„Humanität“ als Oberbegriff für menschliches Handeln im Allgemeinen und menschliche Würde im Besonderen ist seit antikem Denken der Pol, um den sich die Frage nach dem ethischen Verhalten des Menschen, nach richtig und falsch und, befreit von religiösem Kontext, gut und böse dreht.

Der Mensch, so verortet ihn Gerhardt, ist ein Wesen, dass zutiefst in der Natur verankert ist. Er ist beileibe nicht die „Krone der Schöpfung“, sondern Bestandteil einer Evolution, die es ermöglicht hat, dass dieser Fähigkeiten besitzt, die ihm, ob er es will oder nicht, auch eine Verantwortung für eben diese Natur zuschreiben.

Indem sich der Mensch in seinem Gegenüber erkennt, ist bereits die Grundlage geschaffen, seinesgleichen mit Respekt zu begegnen und im jeweiligen Individuum die Gesamtheit menschlicher Existenzen verstehend zu achten.

Stets eingebettet in soziale, technische, gesellschaftliche und politische Zustände, ist es seine Crux, sich mit jeder Lösung eines Problems weitere Probleme zu schaffen, die ihn geradezu dazu verpflichten, seine Fähigkeiten in den Dienst globaler Lösungen zu stellen.

Natur und Gesellschaft sind keine Konstruktionen, sondern integrale Bestandteile einer Welt, in der der Mensch durch sein Bewusstsein, seine Technik und seine Fähigkeit spielerisch reflektierend zu handeln, keine exponierte Stellung einnimmt, dem jedoch aufgrund seiner evolutionären Vorteile die Verpflichtung zur Bewahrung seines Planeten obliegt.

„Humanität – Über den Geist der Menschheit“ ist ein Buch, das dazu auffordert, sich vom technologisch-wissenschaftlichen Machbarkeitswahn zu verabschieden und, menschlicher Hybris Grenzen setzend, zu einem anderen Denken bezüglich der Stellung des Menschen und dessen Verhalten gegenüber anderen Lebewesen zu gelangen. Kurz ausgedrückt: etwas mehr Demut im Umgang mit uns und der Welt würde nicht schaden.




Veröffentlicht am 18. Mai 2019