Buchkritik -- Robert Williams -- Tief in den Wald hinein

Umschlagfoto, Robert Williams, Tief in den Wald hinein, InKulturA Eine Familie wohnt in einer zum Wohnhaus umgebauten Scheune mitten im Wald. Nur dort findet ihre kleine Tochter Harriet Schlaf, denn sie ist ein Schreikind. Nachdem die Eltern alles versucht haben, Experten und Kinderärzte um Hilfe bemühten, und trotzdem keine Lösung ihres Problems fanden, stellte der Vater durch Zufall fest, dass sie tief im Wald Ruhe fand und die Familie beschloss, sich dort niederzulassen.

Nach einem verstörenden Prolog erzählt Robert Williams eine Geschichte, die den Leser in Atem hält. Mit einem Mix aus Thriller und soziologisch sezierendem Blick entwirft er ein Panorama menschlichen Scheiterns, dem letztendlich nur wenige entrinnen können. In zahlreichen Rückblenden lässt er sein Publikum teilhaben am Lebensweg der einzelnen Figuren, von denen, mit Ausnahme des einsilbigen, aber gutmütigen Landarbeiters Raymond, bis zum von Williams erzählten Wendepunkt keine eine wesentliche Entwicklung durchläuft.

Ann Norton, die Mutter Harrietts und eines jüngeren Sohnes, flüchtete früh in eine sie letztendlich enttäuschende Beziehung zu einem Mann, die sie auch in ihrer Ehe mit Thomas noch beschäftigt. Ihr Mann, Direktor einer ländlichen Bankfiliale, muss sich den neuen Herausforderungen seitens einer aggressiveren Geschäftspolitik stellen und versuchen, den Kunden Dienstleistungen der Bank zu verkaufen.

Ein Überfall vier maskierter Männer auf das Haus der Familie, bei der sie Frau und Kinder als Geiseln nehmen und Thomas zwingen, den Tresor seiner Bank zu öffnen, bringt das Leben aller Beteiligten durcheinander. Ann, so muss der Leser erstaunt feststellen, ist fast froh über diese Unterbrechung ihres als langweilig empfundenen Leben, während Thomas sich tiefgreifend verändert und in Folge des Verbrechens unter Angstzuständen leidet.

Keith, einer der Verbrecher, ist ebenfalls ein Gescheiterter, der in völliger Überschätzung seiner Person davon ausgeht, dass es ausschließlich die Schuld der Anderen ist, wenn er nicht das erhält, was ihm vermeintlich zusteht. Nachdem ihn seine Frau mit den beiden Töchtern verlassen hat, sucht er Trost im Alkohol und versinkt immer tiefer im Selbstmitleid. Eine gefährliche Mischung, die folgerichtig zu einer Katastrophe führt.

Robert Williams erzählt die Lebensgeschichten seiner Protagonisten mit unaufgeregter Sprache. Er konstatiert und hält sich von Wertungen frei, zeigt jedoch, bis auf Keith, für alle seinen Figuren große Sympathien, können sie doch ohne äußeren Anstoß nicht aus ihren Rollen heraus.

"Tief in den Wald hinein" ist neben einem spannend gestalteten Krimi ebenfalls eine Zustandsbeschreibung nicht immer gelingender Selbstsuche und die stets lauernden Abgründe des Scheiterns.




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Veröffentlicht am 28. Februar 2016