Buchkritik -- Reza Aslan -- Zelot

Umschlagfoto, Reza Aslan, Zelot, InKulturA Jede Religion beruft sich in ihren Lehren ausschließlich auf den Glauben, der, nimmt man kirchliche Dogmen ernst, über dem Wissen steht. Da ist es fast logisch, dass auch die Gründer großer Religionsgemeinschaften im Nachhinein verklärt, ihr Wirken in einen manchmal von den historischen Tatsachen weit entfernten Kontext gestellt und ihre Botschaften von den Anhängern, die oftmals erst lange nach den historischen Gründerpersonen gelebt haben, entstellt, oder, auch aus politischen Gründen, umgedeutet wurden.

So entzieht sich auch die reale Person Jesus mangels historischer Quellen fast vollständig unserer Erkenntnis. Alle Berichte stammen von Menschen, die erst nach dem historischen Jesus gelebt haben. Die Evangelisten berichteten über einen Mann, dessen Wirken sie nicht persönlich erlebten und über dessen Leben sie ausschließlich aus sekundären Quellen erzählten.

Versucht man sich der Person Jesus zu nähern, dann stellt man fest, dass es zum einen den historischen Jesus gab, über den bis auf wenige Tatsachen kaum etwas bekannt ist und zum anderen den Jesus der Christen, der, religiös verklärt, eine, wenn nicht die wichtigste Prämisse des christlichen Glaubens ist.

Reza Aslan, der iranischstämmige, amerikanische Buchautor und Islamwissenschafter, hat mit "Zelot - Jesus von Nazaret und seine Zeit" ein Werk veröffentlicht, welches das Bild, das wir von der Person Jesus haben, in einen vollkommen anderen und vom christlichen Glauben abweichenden Kontext stellt.

Der historische Jesus war, so Reza Aslan, im Gegensatz zum kirchlich überlieferten Bild des Nazareners nicht der friedliebende und menschenfreundliche Sohn Gottes, sondern einer der vielen damaligen illiteraten jüdischen Apokalyptiker und Nationalisten, der weniger die Menschheit erlösen, sondern das jüdische Gottesreich auf Erden errichten wollte. Damit wurde er, wie viele andere, zu einer Gefahr für die römische Besatzungsmacht, die ihn als Aufrührer und Rebell betrachtete und ihn wegen, drücken wir es modern aus, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zum Tode verurteilte und kreuzigte.

Das ist ja nun, etwas despektierlich ausgedrückt, nichts wesentlich Neues und unter Historikern unumstritten. Der Autor lehrt kreatives Schreiben an der University of California und so verwunderte es nicht, wenn er sehr plastisch, aber nicht immer historisch korrekt die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen schildert, die die jüdischen Widerstandsbewegungen zu ihrem Kampf gegen das Römische Reich motivierten.

So bedeutete es z. B. keinen Verstoß gegen das jüdische Gesetz, wenn Jesus ankündigte, den Tempel zerstören zu wollen und ihn in drei Tagen wiederaufzubauen. Das war kein Verbrechen, sondern haargenau die Aufgabe des richtigen Messias. Damit jedoch betonte Jesus deutlich, eben dieser Messias zu sein und genau das machte ihn zum Feind Roms und der unter römischer Kuratel stehende Hohepriester musste Jesus zur Verantwortung ziehen.

Hätte Jesus den Tempel zerstört und innerhalb von drei Tagen wieder aufgebaut, dann hätten die Juden ihn als Messias anerkannt. So aber war er ihren Augen nur ein weiterer gescheiterter Zelot, der sich einreihte in eine lange Liste von Messiassen, denen alle das gleiche Schicksal beschieden war: Verhaftung und Verurteilung durch die römische Besatzungsmacht. Die Auferstehung war für den Messias gar nicht prophezeit. Aber erst diese machte ihn in den Augen der Christen zu einem Gott. Welche historische Tragik liegt doch in dieser Verwechslung.

Erst Jahre nach der Kreuzigung wurde die Figur des historischen Jesus vom Märtyrer Stephan, dann hauptsächlich von Paulus und den Evangelisten radikal uminterpretiert. Das war die Geburtsstunde des religiösen Christus, der zu einem sanften Hirten, dessen Reich nicht von dieser Welt sei, kanonisiert wurde.

Immerhin ein unerhörter Vorgang. Da mutiert ein jüdischer Nationalist und religiös motivierter antirömischer Aufrührer zu einem romfreundlichen Botschafter der Nächstenliebe. Der antike Geschichtsfälscher Paulus hat ganze Arbeit geleistet und aus dem gescheiterten antirömischen Rebellen und Nichtjuden verachtenden Jesus von Nazaret einen nichtjüdischer Gott gemacht, der bei einer gebildeten, urbanen und griechisch sprechenden Zielgruppe Akzeptanz finden musste. Dass mit dem, Aslan bemerkt das vollkommen korrekt, historisch falschen Vorwurf an die Adresse der Juden, für die Hinrichtung von Jesus verantwortlich zu sein, der erste Baustein des Antisemitismus gelegt wurde, ist evident.

Reza Aslan, ein Wanderer zwischen den Religionen - als Moslem geboren, konvertierte er in seiner Jugend zum evangelikalen Christentum und später wieder zum Islam zurück - hat ein Buch geschrieben, das nichts wirklich Neues zum Leben des historischen Jesus beiträgt. Aber die Aufregung der Bewahrer des rechten christlichen Glaubens um das angebliche Skandal-Buch "Zelot" sorgte schnell dafür, dass es auf den Bestsellerlisten landete.

Das Buch richtet sich in erster Linie an den interessierten Leser ohne grundlegende Kenntnisse in Religions- oder Altertumswissenschaft. Das merkt man nicht zuletzt an dem doch etwas eigenwillig gestalteten Anmerkungen. Dem Leser, der sich etwas näher mit den Aussagen des Autors beschäftigen will, wird es dadurch erschwert, diese auf ihre Korrektheit zu prüfen.




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Veröffentlicht am 29. Jauuar 2014