Buchkritik -- Rolf Bauerdick -- Zigeuner: Begegnungen mit einem ungeliebten Volk

Umschlagfoto, Rolf Bauerdick, Zigeuner, InKulturA Kaum ein anderes Wort ruft so vehement den reflexartigen Aufschrei der politkorrekten Welterklärer hervor, wie Zigeuner. Wer sich dieses Ausdrucks bemächtigt, um eine bestimmte Gruppe von Menschen zu benennen, der gerät schnell unter den Verdacht des Rassismus. Wenn also ein Autor seinem Buch den Titel "Zigeuner" gibt, dann muss er sich auf kontroverse Diskussionen einstellen.

In der Tat ist die Veröffentlichung von Rolf Bauerdick dazu angetan, zu polarisieren. Es gelingt ihm mit seinem Buch, das übrigens hervorragend recherchiert ist, die zwei Lager - Antiziganisten und Anti-Antiziganisten - gegen sich aufzubringen. Der Autor hat nämlich das gewagt, was bisher anscheinend noch niemand gelungen ist: Er betrachtet die Zigeuner mit nüchternen und vorurteilsfreien Blick.

Bauerdick erzählt dem Leser Geschichten über seine langjährigen Erfahrungen mit Zigeunern, oder, wie die politisch korrekte Bezeichnung im Neudeutsch lautet, Sinti und Roma. Dabei stellt sich schnell heraus, dass es weniger die Zigeuner sind, die sich gegen die Bezeichnung "Zigeuner" zur Wehr setzen, sondern, wie der Autor es süffisant bemerkt, Leute, die in ihrem Leben keinem einzigen Zigeuner begegnet sind, sich jedoch einbilden, über diese Gruppe ein Urteil abgeben zu können. Das hat gesessen!

"Zigeuner: Begegnungen mit einem ungeliebten Volk" ist ein Buch, das sich sachlich und fundiert mit diesen in den Ländern Europas nicht immer gern gesehenen Familienverbänden auseinandersetzt. Durch persönliche Erfahrungen, durch eigene Erlebnisse, enge Kontakte und Freundschaften mit den Betroffenen verfügt Bauerdick über ein großes Wissen über diese Menschen. Er kennt beide Seiten der Medaille. Auf der einen Seite das Klischee vom "Diebesgesindel", bei dessen Annäherung man lieber Tür und Tor schließt, auf der anderen Seite jedoch auch die Beispiele gelungenen Lebens und beruflichen Erfolgs.

Natürlich, die europäischen Großstädte kennen das Problem aus eigener Erfahrung, gibt es große Konflikte angesichts des massenhaften Zuzugs rumänischer Zigeuner, von denen nicht wenige ihren Lebensunterhalt durch Betteln oder kriminelle Handlungen bestreiten. Dies ist einer der vielen positiven Gesichtspunkte dieses Buches. Der Autor verschweigt nicht den Ärger und die Unannehmlichkeiten, die entstehen, wenn zwei verschiedene Kulturen aufeinanderprallen. Doch, Bauerdick ist ehrlich, auch er weiß keine Antwort darauf, wie diesem Problem zu begegnen ist.

Der Fall des Eisernen Vorhangs, der Zusammenbruch des Kommunismus, brachte für die rumänischen Zigeuner - über diese schreibt Bauerdick aus eigener Erfahrung - den Wegfall ihrer Erwerbsmöglichkeiten. Durch den Wegfall ganzer Industriezweige verloren sie ihre Tätigkeiten und durch die billigen Massenprodukte aus kapitalistischer Produktion verloren sie ebenfalls ihre auf handwerklichem Geschick beruhenden Berufe. Da auch die staatlichen Zuwendungen gering sind, haben sich, so Bauerdick, ganze Familien auf den Weg in die "reichen" Länder gemacht.

Natürlich findet Ausgrenzung statt. Der Autor bringt jedoch auch die Tatsache ins Spiel, dass es nicht ausschließlich Vorurteile sind, mit denen die Zigeuner konfrontiert werden, sondern dass es auch oftmals eigenes Verschulden ist, wenn es zu Spannungen mit "sesshaften" Bürgern - egal in welchem europäischen Staat - kommt.

Es gibt Zigeunerkriminalität. Rolf Bauerdick verstößt mit dieser Aussage bewusst gegen die politische Korrektheit. Es gibt Probleme mit diesem "ungeliebten" Volk. Und diese Probleme werden all zu oft von den Zigeunern selber verursacht. Man muss sich schon zweimal die Augen reiben und ist trotzdem immer noch verwundert, solche Sätze in einem deutschsprachigen Buch zu lesen. Dabei hat der Autor nur von seinen durchaus ambivalenten Erfahrungen mit diesen Menschen berichtet. Die Realität ist eben immer anders, als es sich die Welterklärer vorstellen können.

Nach der Lektüre des Buches von Rolf Bauerdick wird der Leser etwas mehr über die Zigeuner wissen. Der Lösung existierender Probleme jedoch ist man kein Stück näher gekommen. Das schmälert allerdings in keiner Weise das immer informative und oftmals auch provozierende Buch.




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