Buchkritik -- Daniel Schreiber -- Zuhause

Umschlagfoto, Buchkritik, Daniel Schreiber, Zuhause, InKulturA Nachdem der Begriff Heimat von einem linken Mainstream als ideologisch höchst verdächtig deklariert wurde und von einem entfesselten Kapitalismus, der, als Neoliberalismus verkleidet, die globale Mobilität der Menschen voraussetzt, ist es für den modernen Menschen schwer geworden, sein Bedürfnis nach dem Refugium der Zurückgezogenheit zu verbalisieren.

Daniel Schreiber unternimmt in seinem Essay den Versuch, das, was durch die unfreiwillig konzertierte Aktion von Antikapitalismus und Hardcorekapitalismus zerstört wurde, neu zu bestimmen. "Zuhause", so der Titel seines teilweise sehr persönlich geprägten Buches, nähert sich diesem Begriff, der, wie er es schreibt, individuell verschieden ist und, im Gegensatz zum Wort "Heimat", weder politisch unkorrekt noch globalkapitalistisch unerwünscht ist, aus der Perspektive eines Rückblicks auf gelebtes Leben.

Zuhause, das beinhaltet wohl für jeden eine andere Bedeutung. Das kann dort sein, wo Freunde sind, wo wir Arbeit und Familie haben, oder auch nur dort, wo der Fernseher läuft. Wie immer man diesen Begriff definiert, er beschreibt den Ort, der immer persönlich ist und der oft die letzte Rückzugsmöglichkeit des Individuums darstellt. Je nach persönlicher Biographie kann "Zuhause" auch ein Reflex der Flucht vor der eigenen Vergangenheit bedeuten. Schreiber rekapituliert diesbezüglich seine ihn prägenden Jugendjahre in der DDR.

Die, nicht nur digitale, Moderne macht es den Menschen leicht, ja fordert es geradezu, sich zu verunorten, sich zu lösen von Bindungen, Traditionen und Örtlichkeit. Die Euphemismen „Soziale Netzwerke“ bieten dann auch ihre digitalen Surrogate in Form virtueller Freunde und einer anonymen Cloud an, die die Menschen in einer globalen Community auflöst und dadurch ortlos macht.

Daniel Schreiber berichtet über seine, nicht digitale, Ortlosigkeit, die, sehr schön beschrieben, mit den "ersten grauen Strähnen im Haar" ihr Ende fand. In der Tat, "Zuhause" ist wohl etwas, das für uns erst mit fortgeschrittenem Alter wünschenswert erscheint. Wird ein junger Mensch flügge, verlässt das Elternhaus und sucht seinen eigenen Weg, dann erscheint das nomadenhafte Leben reizvoll. Ein paar Jahre hier, ein paar Jahre dort, möglichst international mobil, Hauptsache immer in Bewegung. Viele haben das Credo des Neoliberalismus verinnerlicht.

Und doch, es kommt der Augenblick, der Autor erzählt von ihm unprätentiös, in dem eine Unruhe auftaucht, ein Wunsch nach Verortung übermächtig wird und die Sehnsucht nach "meinem" Platz im Leben so groß ist, das man bereit für "sein" Zuhause ist. Wohl dem, der es dann auch findet. Daniel Schreiber hat ein berührendes Buch über den Ort geschrieben, der, wie er es ausdrückt, erst erarbeitet werden muss.




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Veröffentlicht am 13. Mai 2017