Buchkritik -- Juli Zeh/Simon Urban -- Zwischen Welten

Umschlagfoto, Buchkritik, Juli Zeh, Simon Urban, Zwischen Welten, InKulturA Es tobt ein Krieg im Land. Noch nicht mit Waffen, sondern vorerst mit Worten. Auf der einen Seite diejenigen, die um ihre Existenz kämpfen, auf der anderen diejenigen, die sich anmaßen, dem Rest der Welt ihre Haltung – was für ein schönes neues Wort – aufzuoktroyieren. Urbanes wokes Leben gegen Bodenständigkeit und Tradition. Stadt gegen Land. Anywheres gegen Somewheres.

Der Journalist Stefan, angestellt bei Deutschlands größter Wochenzeitung DER BOTE, eine Edelfeder, trendig und der Meinung, dass die große zukünftige Aufgabe des Journalismus in der Lenkung, im Framing der Leserschaft liegt. Er glaubt, wie alle seines Geistes, als Speerspitze identitätspolitischen Aktivismus und als Frontkämpfer gegen den, wie er meint, menschengemachten Klimawandel die Pflicht zu haben, mit einseitiger Berichterstattung gegen alle vermeintlichen Übel, allen voran den Rassismus alter weißer Männer, vorgehen zu müssen.

Theresa, eine Bäuerin in Brandenburg, kämpft gegen irrsinnige politische Vorgaben, die es ihr, die den Hof des Vaters übernommen hat, und anderen Landwirten schwer bis unmöglich machen, rentabel zu arbeiten. Landkäufe ausländischer „Investoren“ treiben die Preise hoch und unsinnige, von landwirtschaftlichen Laien – siehe Agrarminister – vorgegebene Regeln machen eine wirtschaftliche und rentable Hofführung nahezu unmöglich.

Beide treffen sich zufällig nach langer Zeit in Hamburg und beschließen den einstmals engen Kontakt wieder aufzunehmen. Es sind also Konflikte vorprogrammiert, wenn hochgestylter, in sich selbst verliebter journalistischer Aktivismus auf solides handwerkliches Können trifft.

Juli Zeh und Simon Urban haben mit „Zwischen Welten“ nicht nur einen erstklassigen und gehaltvollen Roman veröffentlicht, sondern ein zeitgeschichtliches Dokument, das auf 450 Seiten die Auswüchse des aktuellen politischen Zeitgeists komprimiert.

Haltung statt Wissen. Opportunismus statt eigener Überlegung. Großstädtische intellektuelle Nervosität statt Bodenhaftung. Urbane woke Blase gegen den Rest der Gesellschaft. Trotz intensiven Austauschs – gewöhnungsbedürftig in Form von E-Mail- und WhatsApp- Konversation – findet keine das Gegenüber verstehende Kommunikation statt, denn zu unterschiedlich sind die jeweiligen Lebenswelten.

In Hamburg das gehobene Bürgertum, bei Champagner und Häppchen sich selber feiernd und in Wirklichkeit, mit Ausnahme des zur Strecke gebrachten Chefredakteurs, nur Mitläufer eines Trends, kleine Opportunisten, immer bereit, das Mäntelchen in den Wind zu halten.

In der Provinz dagegen die „Landeier“, die sieben Tage die Woche malochen, um über die Runden zu kommen und die, wenn überhaupt wahrgenommen, von der woken Avantgarde bestenfalls mitleidig belächelt werden und als Provinzler, als zu vernachlässigende Größe im Kampf für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit betrachtet.

Die Fronten sind also verhärtet und der edelfedernde Genderstern Stefan wird einmal mehr von Theresa als das entlarvt, was er in Wirklichkeit ist, ein Mitläufer, der jede Kröte schluckt, am Ende auch schlucken muss, um seine Karriere nicht zu gefährden. Als warnendes Beispiel gilt ihm das Schicksal des Chefredakteurs, dessen zugegeben unpassende Bemerkung, ein falscher Witz, das „Monster“ soziale Netzwerke auf ihn und seine Familie loslässt.

Dabei ist die Bäuerin und Mutter Theresa alles andere als blind gegenüber den sich verändernden klimatischen Bedingungen. Regenmangel bedroht die Ernte und Trockenheit lässt die Böden erodieren. Doch ihr Kampf gegen politische Vorgaben, die die landwirtschaftliche Misere noch verschärft ist vergeblich und findet in der Berliner Politblase kein Gehör.

Während DER BOTE sich vom Journalismus ab- und dem Framing zuwendet, wird Theresa einen anderen Weg, einen radikalen wählen. Der Krieg ist in vollem Gang und die Verlierer stehen bereits fest.




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Veröffentlicht am 7. Februar 2023